Das kammermusikalische Brett
Werte Damen und Herren, betreten Sie das zauberhafte Kabinett der edlen Grandseigneurs von
Coppelius und lassen Sie sich auf galanteste Art und Weise durch ein Reich der Wunder geleiten. Was
Sie hier zu sehen und zu hören bekommen, wird ihren Horizont erweitern, ihr Blut in Wallungen
bringen und Ihnen nicht zuletzt auch den Zylinder vom Haupte fegen. „Zinnober“ heißt das
Zauberwort.
Die Geschichte dieses Sextetts ist eine sonderbare – aber das Gewöhnliche liegt Coppelius so oder so
fern. Man munkelt, dass sich irgendwann im ausklingenden 18. Jahrhundert, zu Zeiten solch
imposanter Künstler wie Mozart oder Goethe, die sechs illustren Herren erstmals in konspirativer
Weise trafen, um eine ganz außerordentliche Musik zu zelebrieren; Kompositionen, die schon damals
für gewellte Perücken und entsetzt gekräuselte Schnauzbärte gesorgt hätten, wären sie denn aus dem
Herrenhaus der Kapelle gedrungen.
Erst viele Dekaden später, anno 2007, nutzten die musikalischen Genies ihre Kenntnisse der
Galvanisation und Amplifikation, um eine erste Silberscheibe namens „Time-Zeit“ zu erschaffen – und
ließen damit einen erfreulich frischen Windhauch durch die Welt der rockenden Töne sausen. Denn wo
sich der herkömmliche Homo Musicantus auf eine lieblos gewürgte Stromgitarre verlässt, zücken die
Coppelianer lässig ein paar althergebrachte Klangwerkzeuge sinnbildlich aus dem Ärmel. Da wären
zwei formschön geschwungene Saiteninstrumente, Cello und Kontrabass, die für den nötigen mollenen
Unterton sorgen. Diese werden von zwei kessen Zauberblasinstumenten, auch Klarinetten genannt,
stilvoll aufgedurt. Hinzu kommen die klangvollen Gesangsorgane der Gentlemen – gleich vier an der
Zahl. Und damit bei diesem massiven Instrumentarium das Chaos a priori vermieden wird, sorgt ein
meisterlich rhythmisierendes Schlagzeug für die nötige Disziplin.
Doch Coppelius glänzt nicht nur im musikalischen Bereich durch eine unvergleichliche
Eigentümlichkeit, vielmehr weiß man auch mit Anstand und einer gewissen Form der äußerlichen
Extravaganz zu schillern. Denn der Sechser tritt stets dem edlen, künstlerischen Anlass entsprechend
galant gekleidet und in gepflegter Manier auf. Nicht umsonst wird die Formation zu jeder Zeit von
ihrem bandeigenen Diener Bastille begleitet und umsorgt, der für das leibliche und seelische Wohl
seiner Herren zu sorgen hat.
Dies tat er in der Vergangenheit offenbar auf das Vortrefflichste, denn bereits 2009 versammelten sich
Coppelius erneut, um ihr zweites Werk dem neugierigen Auditorium vorzustellen. Kein Name hätte
dafür besser gepasst als „Tumult!“, denn ein solcher entsteht allzeit, wenn die Meister die ersten
Takte ihrer virtuosen Stücke kredenzt haben und das Volk sich der eigenen Hemmungen entledigt und
in ekstatischer Klangeslust das Tanzbein schwingt oder den Zylinder kreisen lässt.
Wer nun also diesem kammermusikalischen Spektakel beiwohnt wird feststellen, dass Instrumente aus
vorhergehenden Jahrhunderten durchaus in der Lage sind, den Gehrock und alle Gliedmaßen fliegen
zu lassen. Viel mehr noch – und verzeihen sie die vulgäre Ausdrucksweise –, aber es kommt der
unumstößlichen Wahrheit am nächsten: Coppelius rocken wie ein wildgewordener Eber!
Nunmehr ist es also an der Zeit Ihnen, sehr verehrtes Publikum, die dritte Scheibe dieser
ungewöhnlichen Ehrenmänner zu präsentieren, die auf den vieldeutigen Namen „Zinnober“ getauft
wurde. Dies mag im ersten Augenblicke einige Fragen aufwerfen, denn „Zinnober“ bezeichnet
einerseits einen besonderen Rotton, aber auch ein Mineralgestein und kann im Volksmunde
desgleichen als unsinniger Firlefanz verstanden werden. Mit vehementem Druck auf den
Stimmbändern erwidert Comte Caspar, seines Zeichens Maestro mitreißender Klarinettensoli und
verzückender Gesangsakrobat: „Es ist nicht nett, unser neues Album als unsinnigen Firlefanz abzutun.
Aber es trifft die Sache ganz gut …“ Dieser nüchterne Abstand des Künstlers zum selbst Geschaffenen
ist einerseits atemberaubend, offenbart aber beifolgend den hohen Edelsinn der sechs Kavaliere. Graf
Lindorf, der handfertige Herr des Cellos und versierter Stimmbandschwinger, umreißt „Zinnober“
akkurater: „Kompositorisch galt es, Komplexes und Eingängiges miteinander zu verbinden. Klanglich
wollten wir fürderhin möglichst viel Fülle aus dem Instrumentarium holen – das wird heutzutage auch
passend als ‚Brett‘ bezeichnet. Ich denke, wir sind in Beidem ein gutes Stück weitergekommen.“ Und,
wie sollte es anders sein, da trifft der Musikus die Note zielsicher auf die Linie oder den Hammer auf
den Kopf, denn „Zinnober“ setzt gekonnt fort, was Coppelius seit ihren ersten geheimen
Tonexperimenten vor über zwei Jahrhunderten aus dem Äther der Musen gesaugt haben und bringt
dies im Hier und Jetzt zur Vervollkommnung.
Beweise findet man in dieser Hinsicht genug, denn jedes der 15 Stücke ist ein vorzügliches Kleinod.
Da wird einem alsbald "Der Handschuh" um die Gehörgänge gedonnert, eine klangliche
Duellherausforderung mit kammermusikalischer Wucht. Die Saiteninstrumente werden zum
druckvollen Ungetüm, leichtfüßig umspielt von frechen Klarinettenmelodien. Selbstverständlich
präsentieren sich Coppelius auch hier mit ganz besonderem Charme und der ihnen innewohnenden
Narretei. Im Gegensatz dazu klingt "Diener 5er Herren" auf den ersten Lauscher ein Quäntchen
bedächtiger. Aber der gerissene kompositorische Genius der Coppelianten führt den Hörer gekonnt
hinter den Notenständer, denn mit einem Male entfaltet sich ein infernaler Refrain, der sich nicht mehr
aus dem Schädel bringen lässt und das unglückselige Leben der Dienerschaft besingt. Es kann nur an
vorangeschrittenem Alter oder völliger Taubheit liegen, wenn man bei diesem Liedlein nicht
augenblicklich zu einem ausgelassenen Springtanz oder gar einem unverhohlenen Mitsingen verleitet
wird. Nicht mit rechten Dingen geht es bei „Damen“ zu, denn das hier herausgeschmetterte
Klarinettensolo kann in seiner atemberaubenden Heftigkeit und Vollendung nur durch einen Pakt mit
dem Gehörnten zustande gekommen sein. Einer bizarren Sphäre, in der die industrielle Revolution auf
die des Rock’n’Roll trifft, ist schließlich der „Automat“ entsprungen – manufakturelles Geschepper und
fingerfertige Saitenspielereien bewahren ein ganz besonderes Geheimnis. Und wie bereits erwähnt,
kommt auch das „Brett“ zünftig zum Einsatz. Denn „Risiko“ verwandelt jeden steifen Abendball unter
Garantie in eine riesige Moshpit, wie der moderne Neuhochdeutsche zu sagen pflegt – es ist offiziell
gestattet hierbei jedwede Beherrschung zu verlieren.
Doch genug der lobpreisenden Worte, denn Coppelius kann nicht beschrieben, sondern nur am
eigenen Leibe erfahren werden. Jedoch sollte man zuvor wegen der verschiedenen Risiken und
Nebenwirkungen den leibeigenen Mediziner des Vertrauens zu Rate ziehen. Aber letztendlich gilt auch
für den dritten Silberling das güldene Credo: Coppelius hilft!

 


( Quelle - Youtube  - Coppelius - Der Advokant )