In der akut wieder sehr populären Welt des Folkrock sind Schandmaul so etwas wie die große Samstagabend-Show: der Dauerbrenner seit 15 Jahren, voller Rituale, spannender Einlagen, beliebter Ehrengäste, mit einem vogelfreien Entertainer namens Thomas (Lindner) - das
Spektakel für die ganze Familie, ob Punk-Enkel, Rittersmann, Ökobraut, Gothic-Girl oder Anzugonkel. Die Münchner Gruppe ist ein Garant für höchste Quoten. Konzerte sind Festtage für die zahlreichen Anhänger von der Nordsee bis zum Mittelmeer, die letzten Alben landeten allesamt in den Top-Ten. Band und Publikum wachsen zusammen, wachsen weiter: "Unendlich", wie die neue Platte verheißt.
Der Fan weiß, was er bekommt: erstklassige Spielmannskunst, lebenslustigen Folk, donnernden Rock und magische Mittelalterklänge. Doch jedes Album ist auch eine Wundertüte. Vor einer Weile waren die Musiker "alle schwer verliebt", so Thomas Lindner. Daher drängte es sie auf ihrem bis dahin erfolgreichsten Album "Traumtänzer", die traute Zweisamkeit in einer Flut von Balladen zu verewigen. Verliebt sind sie noch immer, doch nun auch fröhlicher, flotter, frischer, trunkener, erzählfreudiger, geselliger. Schandmaul feiern wieder in großer Runde. Mit den Tippelbrüdern etwa, den Handwerksleuten auf der "Walz". Ein alter Brauch, der sich wie die Musik und die Geschichten von Schandmaul auch im Hier und Heute noch abspielt. Wie die reisenden Gesellen atmen die rockenden Gefährten die Freiheit.
In zwei Instrumentalstücken auf "Unendlich" spielen die Damen von Schandmaul, Birgit Muggenthaler-Schmack und Anna Katharina Kränzlein, ihre virtuosen Künste an altehrwürdigen Instrumenten wie Schalmei, Drehleier und Geige voll aus: "Tangossa" ist ein Mix aus Tango und Bossa, den die Herren an Bass, Schlagzeug und Gitarre (Mathias Richter, Stefan Brunner, Martin Duckstein) in punkigem Folk eskalieren lassen. Auch bei "Little Miss Midleton", einer Irish-Folk-Ode an den gleichnamigen Whiskey, erhöhen sie zum Finale das Tanztempo kräftig. Gezecht wird auch mit dem Brandner Kasper, jenem bayerischen Volkshelden, der beim Sensenmann mit einem Kartentrick etwas Lebenszeit ergaunert: "Der Kasper, der verreckte Hund, bescheißt unseren Gevatter, der Tod verliert Wette und Spiel, noch 15 Jahre hat er." Schandmaul geht es ums Ganze - auch wenn jemand das Spiel um Leben und Tod verliert.
Noch einmal klingt die Irish Whistle weit und wehmütig in "Euch zum Geleit". Die Single des Albums beruht auf einer ergreifenden wahren Erlebnis: Martin Duckstein beschreibt darin die Beerdigung einer alten Freundin. Die Frau ließ den Pfarrer einen Brief vorlesen: "Macht Euch keinen Kopf, weint nicht, das Leben war schön." Große Gefühle und noch größere Geschichten haben es Thomas Lindner seit eh und je angetan. So fügen Schandmaul ihrer Trilogie über die Nibelungen einen weiteren Teil an, das Prequel zur Sage um Siegfrieds Vater und ein Zauberschwert. "Es ist das größte Epos, das wir haben", sagt Lindner. Allen, die das falsch verstehen wollen, obwohl es bei Schandmaul eigentlich rein gar nichts misszuverstehen gibt, sendet die Gruppe mit "Bunt und nicht braun" eine eindeutige Botschaft.
Damit beziehen Schandmaul zum ersten Mal politisch Stellung gegen rechte Tunichtgute, die im Fahrwasser vieler deutschsprachiger Bands fischen. "Wir sehen uns als Unterhaltungskapelle", stellt Linder klar, "eine Band, die verbinden will: Menschen, Musikstile, Lebensstile". Oder wie es in dem Lied heißt: "Wir spielen für die Freiheit, gegen genormtes Sein! Auf unserem Kreuzzug
für mehr Toleranz laden wir ein . . . "